Die gute Nachricht zuerst: Die Sportindustrie blickt laut einer Studie der weltbekannten Beratungsfirma McKinsey positiv in die Zukunft. 64 Prozent der hochkarätigen Befragten aus der Branche erwarten 2021 bessere Geschäfte als im Corona-Jahr 2020. Nach vielen Jahren des Wachstums schrumpfte die Sportartikel-Industrie im vergangenen Jahr erstmals seit der Finanzkrise 2007/2008.
Die Ausnahme bildete nur der chinesische Markt, der seinen Ruf als Wachstumsmotor auch im schwierigsten Jahr seit langem unter Beweis stellte. Ebenfalls eine gute Nachricht für die Branche ist, dass die Sportindustrie wesentlich besser als die allgemeine Bekleidungsindustrie abschnitt. Schon ab September 2020 war der Gesamtumsatz bereits wieder höher als vor Beginn der Krise, ganz speziell in Individualsportarten wie Biking oder dem Homesport-Bereich. Und 2021 verspricht mit Großereignissen wie den Olympischen und Paralympischen Spielen sowie der Fußball-Europameisterschaft tendenziell einen weiteren Aufschwung.
Damit hat es sich aber auch schon mit den guten Nachrichten. Die Corona-Pandemie bleibt ein großer Unsicherheitsfaktor und auf die Branche kommen große Herausforderungen zu. „Wir stehen an einem Wendepunkt. Das New Normal nimmt immer schneller Form an und die Sport-Branche muss sich wandeln“, fasste Alexander Thiel, Partner bei McKinsey, die Ergebnisse der Studie „Sporting Goods 2021“ auf der ISPO Munich Online zusammen.
Die Beratungsfirma hat für den Weltverband der Sportindustrie (WFSGI) acht Schlüsselfaktoren herausgearbeitet, die in den nächsten ein bis zwei Jahren über den Erfolg und Misserfolg aller Beteiligten in der Branche entscheiden werden. „Es wird Sieger und Verlierer geben. In solch schwierigen Zeiten kann man ein Vermögen verdienen oder scheitern“, erklärte Thiel.
1. Athleisure
Dieses „Schlachtfeld“ wird laut McKinsey über die Zukunft vieler Firmen entscheiden. Die Corona-Pandemie hat den Trend beschleunigt, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit/Sport immer mehr verschwimmen. Dementsprechend drängen immer mehr große Bekleidungsfirmen in diesen Bereich. Um gegen die Big Player zu bestehen, brauchen Sportartikel-Firmen laut der Studie „ein klares Wertversprechen und einen Fokus auf Materialinnovation, Designinnovation und die Nutzung der Sport-DNA.“
2. Kooperation nötig: Die Kluft zwischen den Kunden wird immer größer
COVID-19 hat eine signifikante Veränderung der körperlichen Aktivitätsmuster bewirkt. Die Kluft zwischen den potenziellen Kundengruppen wird immer größer: Während 40 Prozent angeben, dass sie seit Beginn der Corona-Pandemie weniger sportlich aktiv ist, geben 30 Prozent das genaue Gegenteil an. Um die physische Trägheit vor allem in den einkommensschwächeren Gruppen zu bekämpfen und damit den Umsatz der Zukunft zu sichern, bedarf es spezieller Angebote und einer kooperierten Anstrengung der gesamten Sport-Branche.
3. Nachhaltigkeit
Der ohnehin bestehende Megatrend für mehr Nachhaltigkeit hat sich durch den verstärkten Fokus auf das Gesundheitsthema noch mehr beschleunigt. Um 64 Prozent stieg zuletzt pro Jahr das Angebot nachhaltiger Produkte in der Sportindustrie. Aber diese Entwicklung muss weiter beschleunigt werden. Mit 2025 müssen laut McKinsey 25 Prozent der Sportprodukte nachhaltig sein: Das sind 5x so viel wie derzeit.
4. Digitale Trainingsgemeinschaften und Hybrid-Modelle
Digitale Fitness-Communities wie Peloton boomen. Das wird sich auch nach Ende der Pandemie nicht entscheidend verändern. „Viele Kunden wollen Hybrid-Modelle als Kombination aus Online-Training und Einheiten zum Beispiel in Fitness-Studios. Die Branche muss entsprechende Angebote machen“, fordert Thiel.
5. Online wird immer mehr King
Viele Kunden sind in Pandemie-Zeiten auf Online-Käufe umgestiegen. Und auch das wird sich nach Ende der Pandemie nicht entscheidend ändern. Laut McKinsey dürften sich die Online-Verkäufe 2021 bei etwa 25 Prozent stabilisieren – das ist sechsmal höher als vor dem Auftauchen von Corona. Das bedeutet zugleich, dass der E-Commerce-Bereich noch mehr in das Zentrum der Businessmodelle von Firmen gerückt werden müssen.
6. Marketing: Influencer werden wichtiger
Auch das Marketing muss sich mehr auf die Veränderungen in der Kunden-Welt einstellen. Statt klassischem Advertising sollten Firmen verstärkt auf glaubwürdige Influencer setzen. Wie das funktioniert, kann man beispielsweise in China beobachten, wo Influencer größere Produkt-Mengen als gestandene Firmen verkaufen und selbst zur Marke werden. Hierzulande gilt es für Firmen zum Beispiel darum, Athleten zu finden, die innovative Produkte glaubwürdig präsentieren können.
7. Ladengeschäfte sind unter Druck, bleiben aber wichtig
Das klassische Retail-Geschäft gerät zunehmend unter Druck, bleibt aber ein wichtiger Teil des Omnichannel-Mix. „Hier ist es wichtig, jedem einzelnen Geschäft ein Purpose zu geben“, so Thiel. Also nicht lieblos Waren zu präsentieren, sondern den Kunden ein einzigartiges Erlebnis zu bieten.
8. Lieferketten müssen flexibler werden
Die Nachfrage-Zyklen werden kürzer, vor allem Online-Kunden erwarten eine möglichst schnelle Belieferung. Das bedeutet, dass Lieferketten flexibler und agiler werden müssen. „Man muss sich deshalb überlegen, ob man nicht lieber in der Nähe produziert und wie man das Lager managt“, sagt Thiel. Die Änderungen in diesem Bereich werden nach seiner Meinung nach dramatisch sein – wie bei vielen anderen Kernthemen auch.
„Da ist ein neues Level der Veränderung gefragt. Und das bedarf auch einer kulturellen Transformation in jeder Firma“, sagt Thiel. Nach seiner Meinung seien große Player auf dem Weg dahin schon ein gutes Stück vorangekommen, während vor allem kleinere Firmen Probleme hätten. Gewinner, so fasst Mc Kinsey in seiner Studie zusammen, müssten folgende Voraussetzungen erfüllen: Starke Präsenz in wichtigen Wachstumssegmenten, ein exzellentes Online-Business-Modell, direkte Vernetzung mit den Kunden über (Online)-Communities, ein zielgerichtetes Modell für jeden stationären Shop, nachhaltige Produkte, agile Lieferketten, optimiertes Marketing für digitale Kanäle und eine jederzeit flexible Planung sowie Budgetgestaltung.
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