Find the Balance/22.10.2023

Find the Balance: #Vanlife – So wird aus dem Trend keine Plage

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Campervans und Wohnmobile stehen für Naturverbundenheit und Freiheit. Doch der durch Corona noch befeuerte Vanlife-Boom bringt Umwelt und Gemeinden vielerorts an ihre Belastungsgrenze. Wie können wir verhindern, dass aus dem Trend eine Plage wird? ISPO.com zeigt dir, wo Wildcampen wirklich erlaubt ist, welche digitalen Helfer alle Vanlife-Fans kennen sollten und welche Regionen wirklich campingfreundlich sind.

Alle Seiten sind gefordert, damit Vanlife auch zukünftig so aussieht.

Wohnmobile boomen – und ein Ende ist nicht in Sicht. Zwischen April 2020 und März 2021 wurden allein in Deutschland knapp 82.000 Reisemobile neu zugelassen – 43 Prozent mehr als in der vorherigen Saison.

In Zeiten stornierter Flugreisen und strikter Hygienevorschriften in Hotelkomplexen lockt das Alleinsein in unberührter Natur umso mehr. Doch der Vanlife-Trend, der schon vor Corona für Rekordjahre in der Wonhmobilbranche gesorgt hatte, hinterlässt vielerorts verheerende Spuren: In der freien Natur ausgeleerte Chemietoiletten oder zurückgelassene Müllberge an Stränden und auf Feldern bringen Einwohner und Gemeinden zu Recht auf die Palme. Von Wildcampern zugestellte Feldwege erschweren Landwirten ihre Arbeit.

Verbote allein helfen nicht

Vielerorts regt sich deshalb Widerstand gegen die allsommerlichen Blechlawinen und ihrer Hinterlassenschaften. Der Südtiroler Landtag hat Mitte Juni 2021 einen Antrag gegen wildes Campen angenommen. Zukünftig soll das Verbot von Wildcampen in der beliebten Tourismusregion offensiver kommuniziert und kontrolliert werden. Auch an beliebten Wohnmobilspots in Schottland häufen sich die „No Overnighting“-Schilder am Wegrand.

Doch nur mit Verboten ist das Problem weder für Van-Fans noch Tourismusregionen gelöst. Schließlich profitieren Gemeinden nach Schätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums von der Kaufkraft von etwa 50 Euro pro Wohnmobil. Und auch Wohnmobilisten ist mit Blockabfertigung auf überfüllten Campingplätzen und stundenlangen Irrfahrten auf der Suche nach einem Stellplatz nicht geholfen. Lohnender sind daher Bemühungen, beide Seiten zusammenzubringen.

Flims und Laax in der Schweiz setzen auf Eigenverantwortung

Das Reisen im Van vermittelt nicht nur ein Gefühl von Freiheit und Abenteuer, sondern bietet auch die Möglichkeit der Natur (wieder) ein Stück näher zu kommen. Das weiß auch der Tourismusverband von Flims und Laax. Die Schweizer betonen: „Die Schönheit unserer einzigartigen Naturvielfalt mit unseren Gästen zu teilen und sie auf diese Weise zu begeistern, ist für uns als Tourismusdestination von zentraler Bedeutung. Damit diese jedoch auch für die Generationen nach uns erhalten bleibt, sind wir auf die Mithilfe und Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen angewiesen.“

Bewusstsein für Umweltschutz - auch als Camper

Kurz: Der Tourismusverband setzt auf das Bewusstsein des einzelnen Van-Fans. „Reisende können einen Beitrag leisten, indem sie für Ihren Aufenthalt ausgewiesene Stell- oder Campingplätze nutzen, welche mit der nötigen Infrastruktur ausgestattet sind. Auf diese Weise können wir beheimateten Tier- und Pflanzenarten den Schutz bieten, den sie benötigen und die Schönheit der Natur bewahren.“

Pro und Contra für den Camper-Trip

Auch in Niedersachsen macht man sich Gedanken, wie man die Sehnsucht nach Natur mit Umweltschutz verbinden kann. Die Geschäftsführerin der TourismusMarketing Niedersachsen GmbH, Meike Zumbrock, sagt: „Immer mehr Menschen möchten die einzigartigen Naturlandschaften in Niedersachsen aus nächster Nähe erkunden. Ein Großteil der Camper verhält sich dabei respektvoll, dennoch häufen sich die Probleme: zusätzlicher Verkehr, Müll, Wildcamping, Gefahr durch Lagerfeuer oder zugestellte Rettungswege.“

Aufklärungsarbeit und Alternativen zum illegalen Wildcampen

Die Lösung des Bundeslands: "Hier müssen wir mehr Aufklärungsarbeit leisten und ansprechende Alternativen zum illegalen Wildcampen anbieten.“ Denn - und da ist sich Meike Zumbrock sicher: „Eine Übernachtung im Camper kann aus Nachhaltigkeitsaspekten durchaus eine Alternative zur klassischen Hotelübernachtung sein.Deutlich weniger Strom- und Wasserverbrauch, kein täglicher Handtuchwechsel oder der Einkauf im nahegelegenen Hofladen sprechen für einen Camper-Trip.“

Mit dem Van durch Deutschland - eine gute Idee, wenn man sich an Regeln hält
Bildcredit:
Unsplash.com/@geronimoo

Apps und digitale Angebote zu Standplätzen für Camper

Auch digitale Lösungen helfen, illegales Wildcampen zu vermeiden und dennoch abseits der konventionellen Campingplätze schöne Locations und einsame Plätzchen für den Van zu finden: 

  • Park4Night
    Mit dieser App findest du die schönsten Plätze zum Entspannen und Urlauben. Hier postet eine ganze Community ihre Empfehlungen samt Anleitung und Regeln rein. Einfach nach einem Ort suchen, via Navi zum Ziel finden und im Nachgang berichten, wie der Hotspot so war.
  • iOverlander
    Auch iOverlander ist eine Community-getriebene App, in der man Stellplätze für die Nacht finden kann. Die App kann aber noch mehr: Sie zeigt Campingplätze an, Ladestationen für E-Autos sowie Wasserauffüll-Stationen sowie Wildcamping-Orte und Hostels, wenn der Van zu eng wird. Quasi für jeden Vanlife-Typ das Richtige.
  • Womo-Stellplatz.eu
    Die App für Wohnmobil-Liebhaber, die gerne die komplette Übersicht haben. Von Campingplätzen über Freistehflächen bis hin zu kostenlosen Stellplätzen: Die App bietet jede Menge Orte zum Verweilen in ganz Europa.
  • nomady.ch
    Die Schweizer App wirbt mit dem Spruch „Camping abseits vom Camping“. Hier finden sich die schönsten Natur-Stellplätze sowie Freistehplätze für echte Van-Fans. Von privaten Grundstücksbesitzern, die so gar kein Problem mit den wilden Campern haben.
  • Alpacaming: Inzwischen gibt es auch Lösungen für „legales Wildcampen“: Beim Web-Angebot Alpacacamping können etwa Bauernhöfe, Winzer, Vereine oder Gemeinden Stellplätzen anbieten, die von Reisenden direkt reserviert werden. Wie Airbnb – nur ohne Verschärfung der Wohnungsknappheit.

 

Den Camper einfach im Nirgendwo abstellen? Das geht nicht überall! Aber Apps & Co. liefern gute Standplätze
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Schweden und Graubünden: Informationen und temporäre Stellplätze

Im hohen Norden sensibilisiert der Tourismusverband VisitSweden Reisende für die Grenzen des Jedermannsrechts – und bietet Alternativen: „Schweden ist besonders aufgrund des Jedermannsrechts gerade auch bei Vanlife-Urlaubern bekannt und beliebt. Dabei versuchen wir immer deutlich zu machen, dass dies jedoch nicht für motorisierte Fahrzeuge gilt. Trotzdem gibt es Unmengen an Natur-Campingplätzen, Raststätten und konkret ausgewiesenen Stellplätzen – teilweise in absolut unberührter Natur – die für eine und je nach Ort auch mehrere Nächte zum Verweilen einladen.“

Das schweizerische Graubünden bietet laut „Ferien Graubünden“ temporäre Stellplätze an: „Aufgrund der hohen Nachfrage nach Vanlife- und Campingreisen bieten einige Destinationen in Graubünden für diesen Sommer temporäre Stellplätze auf Parkplätzen, Wiesen und Bauernhöfen an.“

Wildcampen in Europa: Wo ist es erlaubt?

  • Wildcampen in Skandinavien
    In Schweden, Finnland und Norwegen gilt das sogenannte Jedermannsrecht. Das bedeutet, Land gehört niemanden, sondern steht jedem gleichermaßen zur Verfügung. Für Vanlife-Fans bedeutet das: Du kannst deinen Camper an jeder Straßenecke abstellen - solange dein Parken niemand anderen behindert. Mit einem Zelt bist du sogar noch freier. Du darfst es aufschlagen, wo es dir gefällt - und kein explizites „Verboten“-Schild steht. Einzige Regel: Legales Wildcampen gilt immer nur für eine Nacht. Danach heißt es weiterziehen - oder für längere Aufenthalte doch einen Campingplatz ansteuern. 
  • Verbot in Südeuropa - Italien, Spanien und Frankreich
    Schlechte Nachrichten für Fans des europäischen Südens: Wildcampen ist in Italien, Spanien und Frankreich verboten. Auf privaten Grundstücken ist das Übernacht-Parken jedoch erlaubt. Hier lohnt es sich in ländlichen Gegenden einfach Landwirte oder Gutsbesitzer um Erlaubnis zu fragen. Auf das Einschlafen mit Meeresrauschen muss in Südeuropa verzichtet werden. Wer's trotzdem macht, riskiert eine saftige Geldstrafe!
  • Schottland - lieber zweimal fragen
    Camper, Vans oder Wohnwägen dürfen in Schottland mit Abstand zur Straße überall parken - ohne gegen ein Gesetz zu verstoßen. Aber: Der Grundstückseigentümer darf das Parken verbieten. Heißt für alle Camping-Fans: lieber einmal mehr fragen, als abgeschleppt zu werden. An bestimmten Hotspots gibt es aber auch „Verboten“-Schilder, dann lieber auf einen der zahlreichen, schönen Campingplätze des Landes übernachten. Parkplätze an Denkmälern sind übrigens immer tabu. Wichtig für alle öffentlichen Parkgelegenheiten: Vier Meter Abstand zum nächsten Auto müssen gesichert sein. Grund dafür ist der Brandschutz.  Und wer beim Camping Lust auf einen Drink oder ein schottisches Bier hat: Schlüssel aus dem Zündloch und mindestens ein Fahrer sollte immer startklar - sprich nüchtern - sein. Denn Schottland hat eine Null-Promille-Grenze im Straßenverkehr! 
  • Osteuropa - das Land der einsamen Campingplätze
    Offiziell ist in Osteuropa das Wildcampen verboten. Doch in manchen Ländern wird gerne mal über die Vanlife-Reisenden hinweggesehen. Heißt: Auch wenn das Wildcampen verboten ist, droht beispielsweise in Polen meistens keine Strafe. Wer auf Nummer sicher gehen will, fährt trotzdem die Campingplätze an. Denn von Massentourismus ist hier keine Spur: Meistens steht man alleine an einsamen Orten mit Blick auf die raue Natur. 
  • Holland sagt Nein zum Wildcampen
    Das Land der Wohnmobil-Fans verbietet das Wildcampen. Das ist keine Ironie, sondern bittere Wahrheit. Egal, ob auf Raststätten, Parkplätzen oder Privatgrundstücken: Erlaubt ist keines davon. Lieber einen der vielen Campingplätze ansteuern und einen ruhigen Urlaub verbringen. 
  • Wildcampen in Deutschland - nur mit Schlafsack erlaubt!
    Vanlife-Reisende können in Deutschland problemlos auf Raststätten oder Parkplätzen halten - zumindest für eine Nacht. Länger sollte man nicht bleiben und auch das Rausstellen von Tisch, Lichterkette und Liege solltet ihr unterlassen. Der Stellplatz dient nur als Schlafplatz. Wer einen längeren Aufenthalt plant, sollte dann doch einen Campingplatz raussuchen. Wer mit dem Zelt in die freie Natur will, hat es in Deutschland schwerer. Generell ist in Deutschland das Übernachten unter freiem Himmel erlaubt, aber nicht mit Zelt. Pack dir also deinen Schlafsack ein und leg dich auf die Wiese! Nur in Naturschutzgebieten ist nichts davon erlaubt! 
    Unser Tipp: Wer mit Camper oder Zelt in der Natur übernachten will, sollte vorher einfach Grundstücksbesitzer fragen. Dann ist man auf der sicheren Seite. 

Für alle Wildcamping-Fans gilt: Müll vermeiden, Reste mitnehmen und die Natur so verlassen, wie man sie vorgefunden hat. Oder: Den Müll anderer gleich mit einpacken und als gutes Beispiel vorangehen. 

Nicht überall in Europa darf man Wildcampen. Wer's trotzdem tut, muss zahlen
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„Legales Wildcampen“ - so kann's gehen

Der Freistaat Bayern prüft eine Gesetzesänderung, die es Landwirten erleichtern soll, bis zu drei Stellplätze für Wohnmobile auf ihrem Grundstück anzubieten. Und auch der Südtiroler Landtag hat neben der härteren Gangart gegen Wildcamper Lösungsvorschläge angeregt, die Touristen zugutekommen. So soll ein digitales Leitsystem mit aktuell verfügbaren Stellplätzen entwickelt werden.

Im Magazin Geo gibt der Kemptener Professor für Tourismusmarketing, Guido Sommer, einen Einblick in diese digitale Zukunft des Tourismus. Er ist überzeugt, dass das Handy eine Lösung für den Übertourismus sein kann. Algorithmen und aggregierte Daten könnten in Zukunft Besucherströme besser steuern und Alternativen anbieten, die auf persönlichen Vorlieben beruhen. Für Bayern entwickelt die Kemptener Uni dazu die „BayernCloud“. Geplanter Einsatzstart: Sommer 2022. Ähnliche Projekte gibt es weltweit. 

Camper, seid rücksichtsvoll!

Doch nicht nur die Regionen, sondern auch die neue Generation Wohnmobil muss sich bewegen. Zu einem Camping-Trip gehört es, sich im Vorfeld über örtliche Regularien zum Wildcampen zu informieren.

„VisitSweden“ empfiehlt außerdem: „Wie in vielen anderen Ländern gilt auch in Schweden: Wer fragt, gewinnt. Oftmals nämlich auch einen idyllischen Platz auf oder neben einem Bauernhof.“

Das Motto „nach mir die Sintflut“ ist kontraproduktiv: Wer Müll und stinkende Chemiebrühe hinterlässt, schadet nicht nur der Umwelt, sondern vertieft die Gräben zwischen Einwohnern und Besuchern. Rücksichtnahme und Eigenverantwortung sind hier gefragt. Nur dann kann Vanlife auch in Zukunft das Versprechen von Freiheit in der Natur einlösen.