Kasper Rorsted kommt im grau melierten Hoodie von Adidas, Björn Gulden in blauer Puma-Trainingsjacke, die beiden CEOs tragen Sneakers ihrer Marke und Blue-Jeans. Wäre da nicht der entscheidende Unterschied, das jeweilige Logo auf dem Revers, man könnte glatt sagen, die beiden Chefs der größten deutschen Sportartikel-Hersteller erscheinen quasi im Partnerlook bei diesem historischen Treffen in der Nürnberger TH, dem ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt der Bosse dieser beiden einst verfeindeten Weltunternehmen aus dem fränkischen Herzogenaurach.
Der Däne Kasper Rorsted und der Norweger Björn Gulden wollen beim NN-Talk der „Nürnberger Nachrichten“ mit ihrem symbolischen Auftritt auch klarmachen, dass sie vorbei ist, die Zeit der erbitterten Rivalität zwischen den Nachbarn, auf der die jeweilige Firmenhistorie seit dem Auseinandergehen der verfeindeten Brüder und Firmengründer Adi und Rudi Dassler fußte. Kasper Rorsted, seit 2016 CEO bei Adidas, und Björn Gulden, seit 2013 Vorstandschef bei Puma, gehen buchstäblich auf Kuschelkurs. Sie umarmen sich und flachsen, sie klatschen einander Beifall bei pointierten Aussagen – und einmal klatschen sich die Bosse von Adidas und Puma sogar ab bei diesem historischen Treffen im Hörsaal der FH Nürnberg.
Alles nur Show? So wirkt es nicht. Und doch gibt es auch – nicht nur, was Firmengröße und Umsatz angeht, deutliche Unterschiede zwischen Kasper Rorsted und Björn Gulden zu den aktuellen Fragen im Sportbusiness. ISPO.com hat zugehört.
Feindschaft ist kein Thema mehr. „Absolut null Rivalität" sogar will Kasper Rorsted ausgemacht haben zwischen den Konkurrenten Adidas und Puma. „Das gibt es in meiner Welt nicht“, sagt der Adidas-Chef: „Ich hoffe, dass die Kunden unsere Produkte kaufen – aber wenn nicht, sollen sie lieber bei Puma als woanders kaufen.“ Solch einen Satz hätte man von Adi Dassler wohl kaum gehört – und von dessen Bruder Rudolf auch nicht die Replik, die hier Puma-Chef Gulden gab: „Wir sind Konkurrenten, klar. Wir wollen gerne besser werden als sie. Aber: Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Wenn jemand Erfolg haben soll außer uns: dann Adi! Das glauben wir wirklich.“
Nette Worte, die ins Bild der Annäherung passen – und doch nicht das Business abbilden, in dem es so manche Auseinandersetzung um Marken- und Patentrechte vor Gericht gibt, zum Beispiel den Sohlenstreit im Jahr 2016? „Das ist immer so, wenn sich zwei große Firmen im Wettstreit befinden. Das gehört zum Tagesgeschäft, aber das belastet das Klima nicht“, sagt Kasper Rorsted. Und lacht, als Björn Gulden ergänzt: „Mit irgendwas müssen unsere Rechtsabteilungen ja auch beschäftigt werden."
In Herzogenaurach wird viel gebaut gerade, Adidas und Puma investieren nicht nur in Beine, sondern auch in Steine – am Firmensitz. Ein klares Bekenntnis zum Standort Herzogenaurach also, das beide auch mit Aussagen unterfüttern. „Wer auch nur darüber nachdenkt“, den Firmensitz aus der fränkischen Kleinstadt in eine Metropole, München oder gar London, zu verlegen, „macht einen großen Fehler“, sagt Kasper Rorsted über Adidas: „Wir leben von unserer Geschichte. Das macht uns stolz. Die Leute fühlen sich wohl hier. Wir gehören zu Herzo“, so nennen sie Herzogenaurach.
Björn Gulden applaudiert und sagt: „Es gab Mitte der 90er Jahre mal diese Überlegung, nach München zu gehen. Es ist gut, dass wir in Herzo geblieben sind, hier sind unsere Wurzeln."
Die beiden Firmen aus Herzogenaurach sind Welt-Unternehmen, Adidas erzielt 95 Prozent seines Umsatzes außerhalb von Deutschland. Und natürlich hat man registriert, wie Nike, der Weltmarktführer, mit seinen Steuersparmodellen bei Veröffentlichung der „Paradise Papers“ in Deutschland kritisiert wurde.
„Für uns war das keine Überraschung, wir wissen ja, was sie machen, das steht ja in den Geschäftsberichten“, sagt Adidas-Chef Rorsted und kritisiert eher den Gesetzgeber: „Wenn der Staat etwas ändern will, soll er die Gesetze ändern. Die Regierungen haben Gesetze zu verabschieden und darüber zu wachen, dass sie eingehalten werden. Wir sind alles globale Unternehmen und müssen weltweit wettbewerbsfähig sein."
Globalisierung und Digitalisierung haben auch den Sportartikelmarkt in den vergangenen Jahren komplett verändert. Asien ist für Adidas wie Puma längst der Markt der Zukunft und auch schon der Gegenwart: „In China und Indien wachsen wir überproportional“, sagt Puma-CEO Björn Gulden.
Kasper Rorsted pflichtet bei: „Unser Geschäft explodiert online: Wir machen weltweit 1,5 Milliarden Euro Umsatz mit Online. In China haben wir alleine am Singles Day 80 bis 100 Millionen Euro Umsatz gemacht – an einem Tag!“ Und dann hält er sein Smartphone hoch und sagt: „Das primäre Shopping Device ist ein Mobile Device. Künftig wird die Lieferung über Mobile Devices am gleichen Tag, in wenigen Stunden, beim Kunden ankommen.“
„Forver faster“ heißt der Claim von Puma, bei Adidas soll das künftig vor allem auch für das Thema Produktion gehen. Stichwort Speedfactory, Stichwort Sportschuhe aus dem 3D-Drucker. Adidas hat in Ansbach eine vollautomatisierte Fabrik gebaut, individuelle, maßgeschneiderte Schuhe sollen so für jeden Kunden speziell erstellt werden können, „gegen einen entsprechenden Aufpreis“, sagt Kasper Rorsted 300 bis 350 Euro könnten solch individuelle, nach einem Fußscan erstellte Laufschuhe dann kosten. Rorsted erkennt eine „enorme Fähigkeit bei den digitalen Herstellungsprozessen in Deutschland“. Er sagt aber auch: „Die Schuhproduktion wird nicht nach Deutschland zurückkehren.“ Das Knowhow der Mitarbeiter in Asien, wo alle Brands den Großteil ihrer Produktion betreiben, sei deutlich profilierter als in Europa.
Schnellfabrik? Bei Puma ist man noch nicht soweit. Und ein Standort wie Ansbach käme dafür laut Björn Gulden auch nicht infrage: „Wenn wir eine Speedfactory bauen, dann eher in China.“ Gleiches Argument: „Deutschland und Europa sind in der Schuhfertigung weitaus weniger kompetent.“
Welche Produkte sind es eigentlich, auf die Marken wie Adidas und Puma heute im globalen Markt setzen? Sind sie noch eine Sport-Brand oder machen sie schon und vor allem in Mode? Kasper Rorsted über Adidas: „Wir sind eine Sportfirma. Punkt. Aus.“ Und: „Wir wollen die beste Sportfirma der Welt sein.“
Doch dominieren nicht längst Lifestyle-Produkte den Sportbereich? „Der Sport steht im Fokus, aber Sport und Mode verkaufen sich zusammen“, sagt Puma-Chef Björn Gulden. „Der Einfluss der Mode auf den Sport ist sehr groß.“ Und er bringt zwei Beispiele aus seiner globalisierten Welt: „Jeder Amerikaner hat im Schnitt vier Paar Laufschuhe – die meisten Amis laufen aber gar nicht.“ Und: „In China machen mehr und mehr Frauen Sport. Und die wollen auch gut aussehen dabei.“
Ihre Zielkunden erreichen Adidas wie auch Puma vor allem über Influencer und Markenbotschafter. Bei Puma hat sich gerade ein großer Werbeträger vom aktiven Sport verabschiedet: Olympiasieger Usan Bolt (Björn Gulden: „Wäre er Basketballer und nicht Läufer, er wäre der bestbezahlte Sportler der Welt gewesen. Sein Problem ist: Spikes haben in der Mode noch nicht Einzug gehalten“) hat die Karriere beendet. Für Puma ist dies eher eine Chance als ein Malus, findet Björn Gulden: „Usain Bolt bleibt sein ganzes Leben bei uns. Und er wird jetzt eher mehr Zeit für uns haben, er wird sichtbarer werden.“ Eine Lifestyle-Kollektion zum Beispiel könnte infrage kommen.
Bolt werde „immer zur Puma-Familie gehören“, sagt Gulden, „wie auch Lothar Matthäus und Boris Becker“.
Dass gerade diese beiden Ausnahmesportler Matthäus und Becker nach ihrer Karriere in der deutschen Öffentlichkeit einen schweren Stand hätten, kritisiert der Norweger Gulden: „Reißt eure Helden nicht runter. Macht sie nicht kaputt! Das sind Supertypen, Supermenschen. Wir schätzen beide sehr.“ So sehr, dass der Puma-Chef im aktuellen Fall Boris Becker, dessen Schuldenprobleme nicht nur in England medial ausgeschlachtet werden, ein Bekenntnis ablegt: „Wenn Boris mich fragt, würden wir helfen. Wir können nicht alle seine Schulden komplett zahlen, aber er bekäme Unterstützung von Puma. Er ist Teil der Puma-Familie. Er kann mich anrufen.“
Ob es ein solches Bekenntnis, wie es Puma-Chef Gulden im Fall Boris Becker ablegt hat, auch bei Adidas zu Franz Beckenbauer gibt? „Franz Beckenbauer wird immer zu unserer Familie gehören“, sagt CEO Kasper Rorsted über den durch die Steuer- und WM-Affäre unter Druck geratene Fußball-Lichtgestalt. Dass Beckenbauer schon lange nicht mehr in Herzogenaurach gesehen wurde und derzeit auch für keine Werbekampagne eingesetzt wird, läge eher an seinem Gesundheitszustand.
Kasper Rorsted jedenfalls geht öffentlich nicht auf Distanz: „Wir haben ihm so viel zu verdanken, er hat die Marke global bekannt gemacht. Die lange Verbindung zählt. Franz Beckenbauer war immer loyal zu uns, und wir schulden ihm auch Loyalität. Ob und welche Fehler er gemacht hat, müssen andere beurteilen.“
Adidas-Chef Kasper Rorsted applaudierte, als der Puma-Kollege Björn Gulden Hilfe für Boris Becker anbot. Und Gulden klatschte Beifall, als der Adidas-Kollege Rorsted seine Loyalität zu Franz Beckenbauer bekundet. Nicht nur diese Szenen zeigten: So nah waren sich Adidas und Puma selten.
Lauter Gemeinsamkeiten also zwischen den Bossen von Adidas und Puma? Nun, im Privaten zumindest pflegen sie gewisse Unterschiede: Björn Gulden wohnt in Herzogenaurach im Hotel, seine Familie lebt noch in Norwegen. Kasper Rorsted hat eine Wohnung am Firmensitz – und ein Haus am Starnberger See, wo die Familie lebt. Der Adidas-CEO gönnt sich 35 Skitage im Jahr, „von November bis Mai, jedes zweite Wochenende", und er radelt jeden Morgen in der Früh um 5.30 Uhr in die Arbeit – um sich dann eine Stunde Sport zu machen: „Um 5.50 Uhr bin ich im Gym, jeden Morgen.“
„Da komm‘ ich aus der Kneipe“, scherzt Björn Gulden, der frühere Fußballprofi. „Okay, ich bin um 6.15 Uhr im Gym.“
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