Alle schauen jetzt auf den kommenden Winter: Wird es im Corona-Jahr genug Schnee geben, damit der Konsument Lust auf Wintersport bekommt? Werden die Skiregionen neue Lösungen finden für einen sicheren, ansteckungsfreien Sport? Und werden die Konsumenten ihren Lösungen vertrauen? Welche Sportarten werden funktionieren, und welche nicht? Und wie können sich Händler auf die ungewisse Situation einstellen? Die Ausgangslage ist nicht einfach. „Natürlich läuft das Geschäft im Sportfachhandel vielerorts wieder vernünftig an, im Vergleich zur Modewelt auf jeden Fall“, sagt Stefan Herzog, Präsident des europäischen Sporthändlerverbands FEDAS. „Man darf bei der Betrachtung der aktuellen Lage aber nicht vergessen, dass den stationären Händlern etwa ein Viertel der Umsätze fehlt. Da kann man nicht von einem positiven Jahr sprechen. Das nächste Halbjahr wird eine Herausforderung.“
Jede Krise hat auch ihre Gewinner. Im Sportfachhandel sind das in den letzten Wochen die Segmente Bike, Running und Wandern gewesen. Auch Golf und Wassersport haben sich in einigen Regionen sehr gut entwickelt. Allesamt Individualsportarten für Draußen, die einfach umgesetzt werden können. Doch das ist noch nicht alles. „Das Interesse am Sport ist insgesamt gestiegen“, hat Hans Conrad, Inhaber von Sport Conrad mit vier Filialen im Süden Bayerns, festgestellt. „Anders kann ich mir die Zahlen der letzten Wochen nicht erklären. Die Leute achten plötzlich viel mehr auf ihre Fitness. Wandern, Bike und Running sind explodiert.“ Ob diese Entwicklung nachhaltig ist und künftig tatsächlich mehr Menschen Sport treiben werden, bleibt abzuwarten. Solange unsere Gesundheit aber weiter im Fokus der Medien steht, und die Menschen in ihrem Heimatland Urlaub machen wollen, sieht der Handel die Chancen gut, dass die Lust auf Sport auch im Winter anhält
Welche Sportarten werden im Winter boomen? „Für uns ist die Prognose ganz einfach“, sagt Hans Conrad. „Wir werden einen enormen Boom von Skitouren, Langlauf und Schneeschuhwandern erleben.“ Schneelage vorausgesetzt, erwartet er keine schlechten Winterumsätze. „Wir sehen schon jetzt, dass das Interesse da ist, die ersten Skier werden schon gekauft.“ Selbst im Bereich Alpin-Ski, dessen Massentourismus in der Pandemie ja keine rühmliche Rolle gespielt hat, rechnen die Händler nicht mit drastischen Einbrüchen. Wolfgang Gruber von Meini Sport in Laax in der Schweiz hat sein Geschäft direkt an der Liftstation und seine Bestellungen nicht reduziert „Die Leute werden diesen Winter sehr viel Lust auf Skilaufen haben“, sagt er überzeugt. „Wer früher im Winter zum Golfen nach Südafrika geflogen ist, bleibt jetzt hier und geht Skifahren.“ Einen Boom beim Tourengehen oder Schneeschuhwandern sieht er dagegen weniger: „Viele trauen sich das im hochalpinen Gelände einfach nicht.“
„Wenn wir es schaffen, die Sicherheitsstandards klar zu kommunizieren, wird auch Alpin-Ski gut funktionieren“, ist Peter Bruggmann, Präsident des schweizerischen Sportfachhandelsverbands ASMAS, überzeugt. Der Après-Ski-Zirkus und volle Gondeln sind natürlich tabu, viele Bergbahnbetreiber wollen daher die Anzahl der Fahrgäste reduzieren. Wie sich dann die Ticketpreise entwickeln, ist noch nicht überall geklärt. Offene Fragen gibt es auch bei der Maskenpflicht. „Was ich mir nicht vorstellen kann, ist eine Maske unterm Helm“, sagt Bruggmann weiter. Alle Akteure der Wintersportbranche suchen gerade nach gemeinsamen Lösungen und arbeiten enger zusammen denn je – vom Handel über die Industrie bis hin zu Tourismus und Gastronomie.
Für den Onlinehandel bedeutet die aktuelle Krise einen enormen Schub. Dennoch ist er kein Erfolgsrezept für alle. Davon ist auch Wolfgang Gruber überzeugt. „Wir haben viel Geld in den Aufbau eines Webshops investiert und dann doch festgestellt, dass er für uns keinen Sinn macht.“ Viel wichtiger sei es für ihn, den engen Kontakt zu den Kunden zu pflegen. So will er weiterhin seine wichtigsten Kunden zu schönen Events einladen, aber die Gruppen verkleinern. Seine Miet-Ski können künftig zudem per Self-Check-in kontaktlos abgeholt werden und individuelle Beratungstermine sind ohnehin schon lange möglich. „Wir brauchen in diesem Winter viel Kreativität“, sagt auch Peter Bruggmann. „Wer keine Lust hat auf den klassischen Skiurlaub, den locken vielleicht Kurse für andere Sportarten. Die Leute wollen ja raus.“
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