Fünf Wochen lang kämpften 24 Teams aus 11 Regionen in 127 Spielen um den begehrten “Summoner’s Cup”, der Weltmeistertrophäe bei der League of Legends. Am Ende gewann das Team DRX aus Südkorea. Hauptgewinner waren aber vor allem die Veranstalter. Die Tickets für alle Spieltage waren im sofort restlos ausverkauft, etablierte Marken wie Amazon, Mastercard oder Tiffany & Co bereitwillige Sponsoren und Partner des Events. Aber auch langjährige Sponsoren des klassischen Sports wie Mercedes-Benz und Red Bull haben das Potenzial des Esports längst erkannt und ihr Engagement in dieser neuen Sportart ausgebaut. 2021 erreichte das WM-Finale bereits 73,9 Millionen Zuschauer, 2022 gehen die Veranstalter von einer deutlichen Steigerung aus.
Während in China und weiten Teilen Asiens Esport mittlerweile als Volkssport gilt, ist die neue Sportart auch in Europa und den USA auf dem Vormarsch. Andreas Bergmann, Professor für Sportmanagement, stellt hierzu fest: „Die früher als „zockende Kinder im Keller“ abwertend bezeichnete Bewegung hat sich mittlerweile von einem Nischenphänomen zu einem weltweiten Massenphänomen entwickelt. Global spricht man mittlerweile von mehr als 500 Millionen Esport-Enthusiasten und schätzt die Community um das Spiel League of Legends ebenfalls auf mehrere Millionen Anhänger weltweit.“ Des Weiteren ist er sicher, dass insbesondere die junge, werberelevante Zielgruppe der 14- bis 29-jährigen, die durch Werbetreibende auf anderen Wegen kaum mehr zu erreichen sind, vom Phänomen des Esports fasziniert ist.
Hans D. Gurk, Gründer und Geschäftsführer der auf Esport spezialisierten Social Media Agentur Fellowkids war die ganzen fünf Wochen bei den Worlds live vor Ort und hatte Einblicke hinter die Kulissen der Events, da er mit seinem Team das Turnier auf den offiziellen League of Legends Social Media Kanälen begleitete. „Obwohl wir die League WM seit Jahren beruflich mitbetreuen, schafft es Riot Games jedes Mal, neue Meilensteine zu setzen – insbesondere die spektakulären Arenen, die Experience für Zuschauer vor Ort und zu Hause sowie einzigartige Music Acts machen dieses Event zu einem unvergesslichen Erlebnisse für alle beteiligten Spieler, Fans und Sponsoren.“
Während der eSports besonders junge Zielgruppen begeistert und zu Zehntausenden in die Arenen der Welt zieht, tun sich Veranstalter im traditionellen Sport oft sehr schwer, eine ähnliche Begeisterung zu wecken - oder sogar durch Innovationen eigene Best Practices zu generieren.
Wie muss also ein (Sport-)Event der Zukunft konzipiert, geplant und umgesetzt werden, um auch zukünftig attraktiv für die junge Zielgruppe und zahlreiche weitere Stakeholder wie Sponsoren und Medien zu sein? Hier kommen 5 Learnings vom größten eSports-Event der Welt:
Der eSports hat längst erkannt: Jede Veranstaltung ist mehr als die simple Darbietung des reinen sportlichen Wettkampfs. Dieses Erfolgsrezept setzen die eSports-Veranstalter daher konsequent um und schaffen rund um die sportlichen Duelle zahlreiche, einzigartige Entertainment-Elemente, die multimedial inszeniert und emotional umgesetzt werden. Beispiele gefällig?
- Inszenierung einer atemberaubenden Opening Ceremony mit musikalischen Top Acts wie Lil Nas X und Jackson Wang, die unter anderem eine eigens komponierte League of Legends WM-Hymne vor dem Finale performen
- Einsatz neuster Technologien wie etwa Augmented Reality und Hologramm, um als Innovationsführer einzigartige Erlebnisse für die Zuschauer vor Ort und zu Hause zu schaffen
- Planung und Umsetzung einer wochenlangen Marketingkampagne mit Lil Nas X vor dem Event, um die Kollaboration authentisch in der Öffentlichkeit zu platzieren. Erreichte Sichtbarkeit auf allen Social Media Kanälen und YouTube mit einer Reichweite von insgesamt annähernd 20 Mio. Followern
- Angebot eines offiziellen Fanfests vor den Arenen mit vielen (Sponsor-)Booths und innovativen Aktivierungen für die Fans (Ziel: auch Fans ohne Ticket sollen den Hype vor Ort aktiv miterleben (können))
Oberstes Ziel dieser Maßnahmen ist es, ein ganzheitliches Entertainment-Event für die gesamte Zielgruppe zu schaffen, das komplett innerhalb des League-of-Legends-Universums stattfindet und alle Aspekte wie Musik, Sport, Live-Experience, Entertainment sowie Event-Hype konsequent vereint.
Carrie Dunn von Riot Games stellt dazu fest. “We’re creating something tangible in the space that acts as this intersection between sports, entertainment, music — to really kind of plant our flag and say this is our cultural moment.”
Der „War for Eyeballs“, das heißt, der Kampf um Aufmerksamkeit und Fans ist auch in der Sportindustrie in vollem Gange. Daher stellen sich die Verantwortlichen des eSports stets die Frage, wie sie neue Zielgruppen erreichen und für den eSports nachhaltig begeistern können.
Vor der gleichen Herausforderung stehen auch viele traditionelle Sportarten: Wie können Sie neue Zuschauer und aktive Nachwuchssportler gewinnen oder auch alte Fans zurückgewinnen? Wie können neuartige Zielgruppen - sei es geografisch, demografisch oder sozioökonomisch - für die jeweilige Sportart oder das Event begeistert werden?
Der eSports hat hierfür erfolgreiche Ansätze und Herangehensweisen entwickelt:
- Ein prominenter Trend im eSports: Co-Streaming! Co-Streaming bedeutet, dass größere Twitch-Streamer das Event auch auf ihren Kanälen (kostenlos) zeigen dürfen und es für ihre eigenen Zuschauer kommentieren.
- Worlds hatte im vergangenen Turnier zum ersten Mal Co-Streaming erlaubt, und dafür Streamer mit immenser Reichweite wie “Ibai” (Twitch-Rekordhalter mit 3,3 Mio. Zuschauern) eingespannt. Diese Streamer hatten die Möglichkeit, sogar vor Ort zu kommentieren (Bonus: Fanmeets vor den Spielen).
- Wichtiger Faktor dabei: Neben Ibai wurden vor allem. Streamer gewählt, die normalerweise eine ganz andere Zielgruppe (etwa im Bereich der Musik, Fashion, Entertainment, Lifestyle, Food, etc.) haben. Das Kalkül dahinter: Die bestehende Zuschauerschaft wird das Finale sowieso schauen, Co-Streamer hingegen erschließen neue Märkte und Zielgruppen und schaffen dadurch neuartige Berührungspunkte und Fan-Potenziale.
- Dazu waren noch weitere Streaminggrößen wie etwa MrBeast oder Tyler1 vor Ort und im Broadcast im Einsatz, wodurch über deren organische, enormen Reichweiten nochmal weitere (bisher nicht esportaffine) Zuschauer erreicht werden konnten.
Auch der traditionelle Sport greift bereits erste “Co-Streaming”-Ideen auf, so kommentierte während der Fußball-WM beispielsweise der Streamer Pascal Gurk bei MagentaTV, um auch die GenZ für den Fußball zu begeistern.
Warum nicht auch mehr davon in der Fußball-Bundesliga, beim Biathlon-Weltcup oder bei der Leichtahtletik-WM? Auch beim traditionellen Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel waren in diesem Jahr unter anderem der TikTok-Star Khaby, der über 160 Millionen Follower vereint und auf Instagram über 80 Millionen Fans besitzt, sowie die reichweitenstarke Leichtathletin Alica Schmidt dabei, um bisher weniger skisportaffine Personen über die Social Media Posts für das Event und die Sportart zu begeistern.
Auch wenn der eSports digital stattfindet: Nichts geht über die Live-Events, die nach wie vor Zehntausende Fans in die großen Arenen dieser Welt ziehen. Dass die Stars der Szene eine enorme Anziehungskraft haben, hat der Ticketverkauf bewiesen: Innerhalb von Minuten war die WM ausverkauft. Der eSports füllt einige der legendärsten Venues weltweit, wie zum Beispiel das Olympiastadion Peking (2017) oder den Madison Square Garden (2016, 2022).
Großstädte weltweit haben den eSports-Trend erkannt und bewerben sich aktiv um die Austragung von Events in ihren Arenen: Zahlen von Riot Games zeigen auf, dass allein das europäische Finale in League of Legends in lediglich zwei Tagen 2,4 Millionen Euro zum Tourismus Rotterdams beigetragen hat, und längere Events lohnen sich für Ausrichterstädte umso mehr.
Der eSports folgt dabei dem Prinzip: “Go to where your fans are”, und bringt die League of Legends WM im Turnus in die vier großen Regionen ihrer Playbase: Europa, Nordamerika, China und Südkorea. Während in diesem Jahr die NBA-Arenen Nordamerikas Austragungsstätte waren, wird 2023 mit Südkorea wieder das Mutterland des eSports Gastgeber sein. Ziel hierbei: Möglichst vielen Fans auch Erlebnisse und Touchpoints mit dem Spiel geben, da diese Live-Erfahrungen die Bindung zu den Fans noch umso mehr steigern.
Der große Erfolg dieses Konzepts lässt sich auch im traditionellen Sport erkennen: Das erste NFL Game auf deutschem Boden im Münchner Olympiastadion war ein großer Erfolg, ebenso füllt man seit Jahren Arenen in Großbritannien mit diesem Gastspiel. Das Prinzip “Go to where your fans are” oder sogar “Go to where you can build new fanbases” wäre auch für die internationale Relevanz hiesiger Sportligen ein interessanter Ansatz.
Oberster Grundsatz und Ziel jedes Sponsorings im eSports ist die Schaffung eines emotionalen Mehrwerts für den Fan und damit auch schlussendlich für den Sponsoren selbst. Der eSports hat es verstanden, durch die Einbindung von Sponsoren eine positive Experience mit der Marke im Rahmen von eSports-Events zu kreieren, die nachhaltig im Gedächtnis der Fans hängen bleibt. Eine reine Platzierung von Markenlogos auf Rückwänden und Sponsorenflächen, wie man es etwa aus dem traditionellen Sport üblicherweise kennt, ohne umfangreiche, kreative Aktivierung und Inszenierung der Marke, ist im eSports kaumverbreitet. Umso einprägsamer eine Sponsoren-Aktivierung für den Zuschauer ist, desto erfolgreicher ist das Sponsoringengagement am Ende des Tages auch für die Sponsoren, was schlussendlich bedeutet, dass entsprechende Sponsorenplätze durch die verantwortlichen Sportentscheider deutliche höherpreisiger vermarktet werden können.
Bei der kreativen Integration von Sponsoren sollte dabei stets beachtet werden:
- Die Sponsoringkampagne soll immer individuell auf den jeweiligen Sponsor abgestimmt sein: Tiffany&Co designen und craften beispielsweise den neuen League of Legends WM-Pokal und die Championship-Ringe, Mercedes-Benz präsentiert das Matchup des Tages via Hype-Video, Spotify erstellt Playlists mit den Songs der Teams. Dadurch entsteht eine authentische und glaubwürdige Aktivierung und Umsetzung der jeweiligen Sponsoringpartnerschaft.
- Innovative Aktivierungen vor der Venue: Zusätzlich dazu fand im Rahmen der Weltmeisterschaft ein großes Fanfest vor dem Chase Center im Vorfeld des WM-Finales statt, wo jeder Sponsor einen Stand mit attraktiven Fan-Aktivierungen hatte (z.B. Meet’n’Greet mit Pro Playern, PCs für kleinere Fan-Turniere, Giveaways, Influencershows) - auch für Nicht-Ticketbesitzer.
- Weitere Integrationen in der Venue: Ebenso Integration in der Venue, im Stream und auf Social Media - vielfältige Aktivierung mit mehreren Touchpoints für jeden Sponsor schaffen.
Der eSports hat verstanden, dass die junge Generation nicht mehr nur stundenlang vor dem Bildschirm sitzen und die Wettkämpfe passiv verfolgen will, sondern aktiv an den Geschehnissen beteiligt sein will und über technologische Möglichkeiten, wie den „Second Screen“ interaktiv eingebunden und mitgestalten will. Der Zuschauer wird somit zum sogenannten „Prosumer“, das heißt, er wird gleichzeitig zum aktiven (Mit-)Produzenten und Konsumenten des dargebotenen Sporterlebnisses. Der eSports bietet genau für dieses Bedürfnis zahlreiche Anknüpfungspunkte.
Besonderheiten und Aktionen im Rahmen von eSports-Broadcasts:
- Chatfunktion auf den Übertragungsplattformen Twitch und YouTube, wodurch der Zuschauer den Second Screen zum Unterhalten über das Live-Geschehen mit anderen Fans auf der Plattform hat
- “Drops” im Spiel: Beim Zuschauen auf der offiziellen Plattform und via der Verknüpfung mit seinem Account im Game hat der Zuschauer die Chance, bei großen WM-Momenten einen “Drop” zu erhalten - ein Goodie oder einen Gegenstand im eigentlichen Spiel - sehr attraktiv viel zahlreiche Anhänger.
- Letztgenannten Aktionen können auch mit Sponsorship kombiniert werden, z.B. kann ein Gutschein für eine Sponsorenplattform droppen, oder Sponsoren verlosen In-Game-Content (wie z.B. Mercedes Benz dies in Form von eigens gebrandeten “Hextech Chests” bei den Worlds machte).
- Social Viewing: Partnerschaft mit Kinobetreibern weltweit, um Viewing Parties über den ganzen Globus hinweg zu organisieren - oder einfach Fans ohne Tickets die Möglichkeit am Chase Center geben, das Geschehen auf einem Screen gemeinsam vor Ort zu verfolgen. Denn: Auch wenn eSports digital stattfindet, ist das gemeinsame Viewingerlebnis für Fans unersetzbar - denn hinter all den eSports-Events steht eine riesige, globale Community des Spiels, die ihre Leidenschaft für eSports gemeinsam zelebrieren will.
Durch diese Herangehensweisen werden weitere Anreize zum Zuschauen für die GenZ geschaffen, insbesondere für Hobbysportler und aktive Spieler des jeweiligen Spieletitels sind dies attraktive Bindungsmöglichkeiten.
Diese fünf Learnings zeigen auf, warum es bei eSports-Veranstaltungen Jahr für Jahr stets zu neuen Rekorden und Reichweiten sowie wirtschaftlichen Erfolgen kommt. Prof. Bergmann legt dabei nahe: “Diese Ansätze und Ideen sollten jedoch nicht blind bzw. 1:1 vom eSports in den traditionellen Sport übernommen werden, sondern immer individuell angepasst und zielgruppenorientiert modifiziert werden.
Dabei müssen Verantwortliche stets hinterfragen, was zur eigenen Sportart beziehungsweise dem jeweiligen Event passt und auch für die entsprechende Zielgruppe attraktiv erscheint - sonst können negative Erlebnisse wie etwa durch den Auftritt von Helene Fischer beim DFB-Pokalfinale passieren.”
Auch das Identifizieren passender Partner, die diese innovativen Konzepte und Wege mitgehen und die eigene Vision authentisch teilen, ist ein erfolgskritischer Faktor.
Durch Beachtung der fünf genannten Erfolgsfaktoren und Learnings aus dem eSports können auch im traditionellen Sport neuartige (Fan-, Sponsoren- und Vermarktungs-) Potenziale erschlossen und die jeweiligen Sportarten und Events erfolgreich für die Zukunft aufgestellt werden. Mutig sein lohnt sich!
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Andreas Bergmann, Professor für Sportmanagement an der Euro-FH und COO in einer Sportmanagement Agentur in Kitzbühel, und Hans D. Gurk, Gründer und Geschäftsführer der auf eSports Marketing spezialisierten Agentur Fellowkids mit Sitz in Berlin.
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