Klettern/29.10.2021

Kletterhalle für alle: Inklusion im Knödelsilo

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Wie gestaltet man Sport und Sportstätten so, dass alle mitmachen können? Auf Spurensuche in der frisch renovierten Kletterhalle Heavens Gate in München.

Nicht nur in der Halle, auch am Fels: das Projekt Bayerns beste Gipfelstürmer der IG Klettern München & Oberbayern.

Wenn es um Kletterhallen geht, gilt München als Deutschlands Mekka. Angeblich ist in keiner Großstadt die Quadratmeterzahl an künstlicher Kletterfläche so hoch wie hier. Ob Sportklettern oder Bouldern, ob Anfänger, fortgeschrittene Kletternde oder Profis, für jeden sollte da etwas dabei sein. Das Heavens Gate im Werksviertel nahe des Münchner Ostbahnhofs möchte genau das eine Kletterhalle für alle, die Inklusion mit Klettern verbindet.

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Heavens Gate im Werksviertel Mitte: Wo früher Kartoffelmehl gelagert wurde

Nicht nur ist das Heavens Gate eine der ältesten Hallen in München, auch das Gebäude ist etwas Besonderes: In den Neunzigern suchte die IG Klettern München & Südbayern nach einer geeigneten Kletterhalle für ihren Verein. Schließlich wurde man auf dem Gelände der alten Pfanni-Werke fündig und in einem ehemaligen Kartoffelsilo wurde 1998 die damals größte Kletterhalle Deutschlands eröffnet. 

Klettern war derzeit noch ein Nischensport und das Heavens Gate in München in der Szene schon bald für seine langen Routen bekannt, die dort gen Himmel führten, wo früher Kartoffelmehl gelagert wurde. 

Schon damals organisierte der kleine Verein Kletterkurse für Blinde, die Halle sollte ein Ort sein, an dem sich die unterschiedlichsten Menschen begegnen und miteinander klettern konnten. Zwischen Discos und Nachtleben im Kunstpark Ost passte die etwas anarchische Kletterhalle damals ganz gut und hatte schon immer einen besonderen Flair. Etwas in die Jahre gekommen, schloss das Heavens Gate 2017 für einen weitreichenden Umbau, in den letztlich 3,5 Millionen Euro fließen sollten.

Klettern, Bouldern, Sonnenterrasse

Nach der Neueröffnung geblieben sind die charakteristischen Kartoffelsilo-Routen: Nach wie vor kann man hier bis zu 30 Meter am Beton hoch hinaus. Daneben gibt es einen ganz neuen und modernen Boulderbereich mit separatem Trainingsbereich. Dort kann man an Boulder-Problemen in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen tüfteln oder man geht nach unten und bouldert entlang des unteren Bereichs der Silos.

Draußen gibt es eine ebenfalls neue, 18 Meter hohe Kletterwand, von der aus man das Treiben im Werksviertel beobachten kann. Für alle, die es für ihre Beobachtungen weniger luftig unterm Hintern mögen oder einfach auch gerne mal ein Päuschen einlegen, ist eine Sonnenterasse hinzugekommen.

Und auch drinnen gibt es neue Kletterbereiche. Trotz der vielen Routen ist die Halle familiär und man fühlt sich nie verloren wie eventuell in einer großen Halle, weil alles über mehrere Stockwerke verteilt ist.

Klettern bis hoch ins Silo.
Bildcredit:
Heavens Gate

Erste barrierefreie Kletterhalle

Um eine ansprechende und zeitgemäße Halle zu gestalten, war das oberste Ziel für den Umbau Barrierefreiheit. Es wurde bis ins Detail geplant, wie die verwinkelte Halle gestaltet werden musste, damit sie auch für alle Interessierten zugänglich sind. Besonders wichtig war dabei ein stufenlos zugänglicher Aufzug, denn mit körperlicher Beeinträchtigung können Treppen sehr schnell zum Hindernis werden, bevor überhaupt eine Wand erklommen werden kann.

Handläufe, ein taktiles Leitsystem für die Halle, ebenerdige Matteneinstiege auf den Boulderflächen, barrierefreie Sanitärflächen mit Pflege- und Duschliegen oder Abstellflächen für Rollstühle wurden bei der Renovierung der Halle ebenfalls berücksichtigt. Seit der Wiedereröffnung im Sommer 2021 ist das Heavens Gate nun die erste umfassend barrierefreie Kletterhalle in München. Sehr hip in petrol und senfgelb gestylt, fühlt man sich schon im Eingangsbereich irgendwie willkommen und zuhause.

Inklusives Klettern: Gruppenkurse für Kinder und Jugendliche

Auch beim Programm in der Anlage wird Inklusion großgeschrieben: So werden verschiedene Kurse angeboten, damit auch körperlich beeinträchtigte oder sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche Klettern für sich entdecken können. “Bayerns beste Gipfelstürmer” - so lautet der Namen des Inklusionsprojekts der IG Klettern München & Südbayern, welches sich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung und schweren Erkrankungen sowie deren Geschwister richtet. Ein weiteres Projekt sind die “Gipfelstürmer” für sozial benachteiligte junge Menschen und solche mit Flucht- oder Migrationshintergrund. Es gibt regelmäßige Gruppen, die das ganze Jahr über treffen, Schnupperkurse aber auch inklusive Events für Unternehmen. Viele der Projekte im Heavens Gate werden neben ehrenamtlichem Engagement auch durch Stiftungen wie die “Aktion Mensch” finanziert.

“Wichtig ist uns vor allem, dass man verschiedene Gruppen mit einbindet, gemeinsam klettert und Sport macht”, beschreibt der Geschäftsführer des Heavens Gate, Benjamin Plahl, die Hintergründe für Verein und Halle. In betreuten Gruppen können bis zu acht Kinder mit einem Trainer Klettern ausprobieren, lernen und trainieren. “Das Projekt arbeitet mit sogenannten Scouts, also mit Jugendlichen, die ehrenamtlich mithelfen, um die ausgebildeten Trainer und Trainerinnen zu unterstützen”, erklärt Plahl. So klappt auch eine gute Betreuung für die ganze Gruppe an und rund um die Kletterwand. 

Mit fleißiger Regelmäßigkeit ist eine Gruppe mit Multipler Sklerose im Heavens Gate anzutreffen, genauso gibt es Gruppen von Menschen mit Down-Syndrom. Bei Ausfahrten und auch in den Kursen kommen also ganz unterschiedliche Menschen mit gewissem Handicap zusammen. Langsam nimmt auch das Kursprogramm in der neuen Halle wieder an Fahrt auf. “Wir hatten vier Jahre keine Halle, deswegen hat sich alles ausgelagert. In andere Hallen oder nach draußen bei Ausfahrten in die Berge. Jetzt ist es schön, dass alle wieder hier zusammenkommen.”

Inklusions-Kurse finden in regelmäßigen Gruppen und zum Schnuppern statt.
Bildcredit:
Bayerns beste Gipfelstürmer

Inklusive Ausbildung zum Klettertrainer

Die IG Klettern bildet in der Halle auch eigene Trainer und Trainerinnen aus. Während dieser Ausbildung ist Inklusion und die Arbeit mit verschiedenen Gruppen und Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen ebenfalls zentral. Dabei geht es um Sicherheit im Umgang miteinander an der Wand, die ja nicht nur hinsichtlich Inklusion ein Thema ist. 

“Bei der Ausbildung unserer Trainer legen wir einfach großen Wert auf Qualität”, so Benjamin Plahl.

Zwei junge Geflüchtete, die über “Bayerns beste Gipfelstürmer” zum Klettern gekommen sind, haben bereits einen Trainerschein fürs Klettern gemacht und leiten jetzt ebenfalls Kurse, wie die, durch die sie selbst zum Klettern gekommen sind. 

Das besondere Flair von Gemeinsamkeit und Zusammenhalt hat sich also laut Plahl auch im “neuen” Heavens Gate gehalten. Das mag an der besonderen Location liegen, genauso aber an den vielen Kletterern, die seit Jahren in die Halle kommen und sich für Themen wie Inklusion und Nachhaltigkeit engagieren.

Mehr übers Heavens Gate und Projekte vor Ort erfahren: https://www.heavensgate-muc.de