Martin Thiess grinst ein bisschen verlegen. „Wir machen in China viel zusammen mit Borussia Dortmund und Schalke 04. Das wäre in Deutschland nicht möglich“, sagt der für China zuständige Manager von Borussia Mönchengladbach auf dem International Football Forum im Rahmen der ISPO Shanghai.
Draußen vor der Tür lassen sich viele der begeisterten Besucher mit den Maskottchen der Bundesligisten Bayern München, Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, Schalke 04 und VfL Wolfsburg fotografieren, die einträchtig beeinander stehen.
Es läuft halt vieles anderes im Riesenreich China. Das gilt auch für die Entwicklung des Fußballs. Weil Staatspräsident Xi Jinping das Ziel ausgegeben hat, dass China spätestens bis 2050 zur Weltspitze im Fußball gehören und eine Weltmeisterschaft ausgerichtet haben soll, werden Milliarden in die Entwicklung des Kickersports investiert.
Mindestens 70.000 Fußballfelder sollen gebaut werden, Talentschmieden für junge Kicker schießen wie Pilze aus dem Boden. Auch das Interesse der Bevölkerung wächst sprunghaft, seit Vereine aus der chinesischen Profiliga mit Millionen internationale Fußball-Stars wie Ex-Bayern-Stürmer Sandro Wagner, den früheren Bremer Marko Arnautovic oder den ehemaligen Chelsea-Mittelfeldspieler Oscar verpflichtet haben. Mehr als 300 Millionen Chinesen schauen mindestens einmal pro Woche Fußball, etwa 250 Millionen bezeichnen Fußball inzwischen als ihren Lieblingssport. Das macht China zum am dynamischsten wachsenden Fußballmarkt weltweit.
Noch prominenter als die einheimischen Clubs sind jedoch die großen Teams wie Real Madrid, FC Barcelona oder Bayern München. Und die Weltstars wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi oder Neymar. „Die internationalen Stars sind extrem wichtig, die Zahl der Follower in China hat sich in den letzten Jahren auf 56 Millionen versiebenfacht“, berichtet Rufio Zhu von der Mailman Group, die regelmäßig die Entwicklungen des chinesischen Marktes beleuchtet.
Deshalb bekommt Marco Reus von Borussia Dortmund sogar einen eigenen Account bei Weibo, dem chinesischen Pendant von Twitter. Der DFB (50 Punkte) ist übrigens der beliebteste Verband in China (zum Vergleich: Brasilien hat nur 20 Punkte). Laut Rufio Zhu aus einem ganz einfachen Grund: „Die Spieler sind sehr hübsch.“
Das heißt aber noch lange nicht, dass der DFB vom Milliardenmarkt China auch finanziell profitiert. Ende 2016 wurde auf höchster politischer Ebene ein Kooperationsvertrag mit dem chinesischen Fußballverband CFA und dem chinesischen Bildungsministerium unterzeichnet.
DFB-Trainer und Schiedsrichter wurden nach China entsandt, Know-how transferiert. Finanziell brachte das aber in den letzten zwei Jahren laut DFB-Finanzbericht Verluste von insgesamt etwa 800.000 Euro. Das zeigt, dass es mit dem Geldverdienen im Fußball-Business-China nicht so einfach wie gedacht ist.
Inzwischen sechs Bundesligisten – Bayern München, Borussia Dortmund, Schalke 04, Borussia Mönchengladbach, der VfL Wolfsburg und Eintracht Frankfurt – unterhalten trotzdem eigene Büros in China. Sind in Talent-Projekten in verschiedenen Provinzen aktiv und mit ihren Top-Stars häufig in China zu Gast. Seit März 2019 hat zudem die Deutsche Fußball Liga (DFL) eine eigene Dependance in Peking. „Wir sehen in China großes wirtschaftliches Potenzial“, sagt Martin Thiess.
Das gilt für die Entsendung von ausgebildeten Trainern in Fußballschulen genau wie für die Themen Merchandising und Marketing. Borussia Dortmund zum Beispiel nutzt als bislang einziger Fußballklub bei den Übertragungen eigener Spiele die Möglichkeiten des Virtual Advertising – damit werden die Werbebanden im Stadion virtuell verändert, damit chinesische Firmen für die einheimischen Kunden werben können.
Es sind solche schlauen Konzepte, mit denen die Fußball-Industrie in China tatsächlich Geld verdienen kann. Zudem muss man sich auf die Eigenheiten des Reichs der Mitte wirklich einlassen.
„Der chinesische Markt und die Kultur ist anders. Man braucht eine andere Herangehensweise, um hier Erfolg zu haben“, sagt der bei Schalke 04 für China verantwortliche Philipp Rüttgers. Zum Beispiel müssen sich die Trainer auf die andere Mentalität der Eltern und Kinder in den Fußballschulen einstellen, die am liebsten rund um die Uhr trainieren würden.
„Wir brauchen mehr Zusammenarbeit und internationale Ressourcen. Wir sind sehr offen: Wir wollen mehr internationale Turniere und Talententwicklung. Und hoffen, dass uns große Fußball-Länder wie Deutschland oder Brasilien dabei unterstützen“, erklärt Zhang Qiang, Deputy General Manager der China National Sports Group.
Dieses Unternehmen kümmert sich zum Beispiel um den Bau der Sportstätten für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking und richtet Events aus. Gezielt wird nun eben auf die Konkurrenz zwischen großen Fußball-Ländern wie Deutschland oder Brasilien, die bei Themen wie Talententwicklung oder Sportstättenbau ein möglichst großes Stück vom Milliardenkuchen in China abbekommen wollen.
Am ehesten Erfolg verspricht dabei, wenn die großen Player aus der Fußball-Bundesliga zumindest partiell kooperieren und Bühnen wie die ISPO Shanghai oder ISPO Beijing für den Kontakt zum chinesischen Sport-Markt nutzen.
Trotz aller Probleme sind die Aussichten verlockend. „China verändert sich gerade in ein großes Sportland für die Menschen“, erklärt Zhang Qiang: „Wir finden zum Beispiel auch spannend, dass in Deutschland neben Fußball auch Handball so im Mittelpunkt steht. Vielleicht kann man ja auch diese Sportart nach China bringen.“
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