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Flo Maderebner / pexels
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Textrends/08.05.2023

Stronger together: Wie das Microfibre Consortium den Kampf gegen Mikrofasern anführt

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Wenn die Outdoorbranche eines besonders gut kann, dann Herausforderungen schnell zu begreifen und über sich hinauszuwachsen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Microfibre Consortium, eine 2018 gegründete Non-Profit-Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Mikrofasern zu vermeiden. Sie arbeitet nach wissenschaftlichen Grundsätzen und bringt Marken sowie Ingredient Brands zusammen. Co-Founder und Executive Director Sophie Mather verrät uns im Interview, wie die Branche Mikrofasern den Kampf ansagt.

Sophie Mather ist ausgebildete Textilingenieurin und arbeitet gemeinsam mit mehreren Textilforschungsgruppen im biosynthetischen Bereich. Sie beschreibt sich selbst als "Material-Futuristin, die Strategie, Vision und tiefes technisches Fachwissen für nachhaltige Herausforderungen und Möglichkeiten mitbringt". Zuvor war sie in der Sportbranche tätig und hat eine Zeit in Südostasien verbracht. Wir haben sie interviewt, um zu erfahren, wie das Microfibre Consortium eine Bewegung in der gesamten Branche anstößt und Mikrofasern reduziert.

Was ist das Microfibre Consortium?

Das Microfibre Consortium ist die einzige globale Organisation, die sich zu 100 % mit Faserfragmentierung beschäftigt. Wir sind eine forschungsgeleitete, nachhaltige Textil-NGO, die sich auf die Erkenntnisse von Katy Stevens und der European Outdoor Group stützt. Im September 2021 wurde das Microfibre 2030 Commitment als ein gemeinsames Ziel definiert, das von einer Gemeinschaft von Unterzeichnern geteilt wird. Die ersten beiden Schritte waren die Festlegung konkreter Ziele mit einer Selbstverpflichtung für 2030 und eine Roadmap für Mikrofasern.

„Wir versammeln den globalen Mode- und Textilsektor, von Rohstofflieferanten bis hin zu politischen Entscheidungsträgern." - Sophie Mather  

Wir sind derzeit 82 Unterzeichner, die alle die Verantwortung für die Lösung des Problems übernehmen und zu einer nachhaltigen Zusammenarbeit beitragen, proaktiv und branchenübergreifend.

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Was steckt hinter der 2030-Initiative des Microfibre Consortium? 

Diese formelle Verpflichtung gibt eine klare Marschrichtung vor, um das Wissen über den Sektor hinweg zu vertiefen und praktische Maßnahmen umzusetzen. Alle Unterzeichner sind sich einig, dass wir als globales Kollektiv darauf hinarbeiten wollen, die Auswirkungen der Faserfragmentierung von Textilien auf die Umwelt bis 2030 auf Null zu reduzieren. Wir sind eine Organisation, die sich stark auf die Wissenschaft stützt, und machen Datenanalyse zu einer Priorität. 

Mit dieser Verpflichtung haben sich die Organisationen dazu entschlossen, die Faserfragmentierung ganz oben auf ihre Agenda zu setzen. Indem sie sich selbst in die Lage versetzen, den Fortschritt zu beeinflussen, werden sie zu Vorreitern der Branche bei der Einführung innovativer Lösungen. Im Rahmen ihrer öffentlichen Verpflichtung sind Marken, Einzelhändler und Forschungsinstitute dazu verpflichtet, jedes Jahr die Ergebnisse von Materialtests einzureichen und die Erkenntnisse und technische Spezifikationen in das Microfibre Data Portal hochzuladen. Es ist ein gemeinsamer Ort für die Branche, um Wissen aufzubauen und Ursachenforschung zu betreiben. Zusätzlich zu den Tests leisten die Unterzeichner auf verschiedene Arten einen gezielten Beitrag, insbesondere durch die Teilnahme an themenspezifischen Arbeitsgruppen.

Was ist die Microfibre Roadmap? 

Die Microfibre Roadmap gibt das Tempo zur Umsetzung der Verpflichtung vor. Darin werden der Weg nach vorn und die spezifischen Schritte zur Erfüllung unserer Verpflichtung beschrieben und klare Meilensteine für drei Säulen festgelegt: Angleichung des Sektors, Verständnis der Faserfragmentierung und Verhinderung der Faserfragmentierung. Diese Säulen sind untereinander verbunden. Die Agenda ist ehrgeizig (was sie auch sein muss) und kann nur durch eine Kombination aus koordinierten kollektiven Maßnahmen und einer sicheren Finanzierung erfüllt werden.

Die Microfibre Roadmap wird sich weiterentwickeln, wenn das Wissen wächst und wir in der Lage sind, weitere Erkenntnisse über Vermeidungsmaßnahmen zu integrieren. Die "The Microfibre Consortium" (TMC) Roadmap befindet sich in der Aktivierungsphase, in der die Grundlagen für die Primärforschung, die Instrumente und die Ressourcen geschaffen werden, die ab 2024 umgesetzt werden sollen. Die Aktualisierung der TMC Roadmap ist von entscheidender Bedeutung, um Klarheit, Transparenz und Rechenschaftspflicht bis 2030 zu gewährleisten.

Welche Methode setzt das Microfibre Consortium ein?

Die Testmethode des TMC ist ein standardisierter Ansatz zur Bestimmung der Faserfreisetzung. Auf der Grundlage der bereits etablierten ISO 105-C06 wurde die Methode so entwickelt, dass sie mit Standard-Laborgeräten durchgeführt werden kann und genaue, vergleichbare Daten liefert. Diese können in einer Reihe von Laboreinrichtungen kommerziell skaliert werden. Die Ähnlichkeit mit vergleichbaren Methoden wird überwacht, wobei die Nähe zu AATCC- (USA) und CEN/ISO-Methoden (EU) am größten ist. Mit der Einführung einer zugänglichen und angepassten Prüfmethode wächst das Labornetz, das die Bereitstellung von Prüfdaten unterstützen kann. Im Juni 2022 waren 11 Dienstleister mit insgesamt 35 Laboratorien für die Anwendung der Testmethode des TMC akkreditiert, sodass Unterzeichner weltweit unterstützt werden können. 

"Das Microfibre Consortium ist eine unglaubliche Ressource, um die Zusammenarbeit mit unseren Branchenkollegen zu erleichtern und uns mit Best Practices zu unterstützen." - Team-Testimonial aus dem TMC-Fortschrittsbericht

Wer kann zum TMC beitragen?

Jeder aus der Industrie und darüber hinaus kann einen Beitrag leisten: direkte Vertreter der Bekleidungs- und Textilindustrie, komplementäre Industrien und Botschafter wie Forscher und Akademiker, Marken und Einzelhändler, Kooperationen der Bekleidungsindustrie, Labore, Multi-Stakeholder-Initiativen oder politische Entscheidungsträger. Für uns ist das von entscheidender Bedeutung, um eine zentrale Aktion in der gesamten Mode- und Textilindustrie zu schaffen. TMC unterstützt Maßnahmen, die in der gesamten Wertschöpfungskette auf der Grundlage einer klaren, messbaren Agenda ergriffen werden können: The Microfibre 2030 Commitment and Roadmap.

"Viele größere Marken haben sich uns deshalb angeschlossen, weil sie verstanden haben, dass das kollektive Verständnis viel größer ist als das eines einzelnen Unternehmens." - Sophie Mather  

Das Microfibre Data Portal verfügt zum Beispiel über eine große Bandbreite an realen Stoffen aus der Bekleidungsindustrie. Während ein Chenille-Pullover für einen unserer Unterzeichner wichtig ist, könnte ein feiner Wollstoff für einen anderen wichtig sein - keiner von beiden würde bewusst nach Daten für den jeweils anderen Stoff suchen, aber der Wert für uns liegt in diesen zusammengefassten Daten, die eine einzigartige Perspektive auf das Thema eröffnen.

Was motiviert die Outdoormarken? 

Der Fortschrittsbericht 2021/2022 des Microfibre Consortium beschreibt die Beweggründe verschiedener Marken:

  • Patagonia™: Wir sind stolz darauf, das Microfibre 2030 Commitment zu unterstützen, weil es eine treibende Kraft beim Thema Faserfragmentierung ist, Expertenwissen für die Branche bereitstellt und Marken, Einzelhändler und Hersteller in einer wissenschaftlich geleiteten Zusammenarbeit zusammenbringt.
     
  • Arcteryx™: Wir wollen noch mehr testen, indem wir uns intern in unserem Labor akkreditieren lassen. So können wir die Testmethode des Microfibre Consortium durchführen und die Anzahl der pro Jahr durchgeführten Tests erhöhen. Wir haben gerade die gesamte benötigte Laborausrüstung bestellt und sind dabei, den Akkreditierungsprozess zu beginnen. Zu Ausbildungszwecken diskutieren wir intern regelmäßig über die Arbeit des Microfibre Consortium. Die Designer wissen über die Initiative Bescheid und berücksichtigen bei ihren Entscheidungen über Materialien und deren Auswirkungen auf die Fragmentierung ihrer Produkte. Wir wollen proaktiv sein und intern Maßnahmen ergreifen, auch wenn die Forschung noch läuft und es noch viele unbekannte Faktoren gibt, die eingeschätzt werden müssen.
     
  • Bergans™: Über das Microfibre Consortium haben wir Zugang zu den neuesten Insights in der Mikrofaserforschung und tragen zur gemeinsamen Initiative der Branche bei, Forschung und Wissensaufbau voranzutreiben.
     
  • REI™: Wir müssen wissen, welche Garntypen am meisten zur Faserfragmentierung beitragen. Die Möglichkeit, Materialien zu vergleichen, ist sehr wertvoll. Wir brauchen ein Werkzeug, das Designer leicht nutzen können, um bei der Produktentwicklung fundierte Entscheidungen treffen zu können.
"Diese Selbstverpflichtung zeigt, dass es den Organisationen ernst damit ist, Maßnahmen zu ergreifen.” - Sophie Mather  

Was sind die größten Herausforderungen in der Produktion? 

Die größten globalen Hindernisse sind der Mangel an Werkzeugen, an Bewusstsein und an Wissen. Dank aller Unterzeichner und Kooperationen bei TMC arbeiten wir daran, diese Herausforderungen anzugehen. Meiner Meinung nach gibt es zwei entscheidende Phasen, in denen wir arbeiten müssen. In Phase eins ging es darum, die Vielfalt der Technologienutzung in der gesamten Branche zu ermitteln und zu erfassen. In der zweiten Phase, in der wir uns jetzt befinden, geht es um die Erfassung und die Festlegung von Grundlagen, damit die Fortschritte effektiv und transparent gemessen, gemeldet und verwaltet werden können.

Dank unserer wichtigen Partnerschaft mit ZDHC™ wird sich ein spezielles Arbeitsteam aus Mitgliedern des ZDHC und des Microfibre Consortium auf drei Schlüsselbereiche konzentrieren: 

  1. Die Definition einer Testmethode, die weltweit verfügbar ist und Faserverlustse im Abwasser auf Herstellungsebene messen kann. 
  2. Die Festlegung einer Baseline für den Verlust von Mikrofasern aus Produktionsanlagen. 
  3. Die Anpassung an eine harmonisierte Dateninfrastruktur und die Entwicklung einer Berichtsstruktur, die die Messung und Kontrolle von Mikrofasern aus Produktionsanlagen erfasst.

Microfibre Consortium: Erste Ergebnisse

Es ist noch zu früh, um über Impact zu sprechen. Derzeit befindet sich die Microfibre Roadmap in der Aktivierungsphase, in der die Infrastruktur aufgebaut wird, die eine Umsetzung ab 2024 ermöglicht. Für eine wissenschaftliche Antwort, die das Problem wirklich an der Wurzel packt, muss umfassend in Forschung investiert werden, die es uns ermöglicht, eine zuversichtliche Position im Einklang mit dem TMC-Ansatz "no regret" zu erreichen. Sobald die Ursachen identifiziert sind, können wir gezielte Analysen zu jedem einzelnen Treiber von Faserfragmentierung durchführen, um ein tiefes Verständnis der Ursachen zu schaffen und Strategien zur Vermeidung zu empfehlen.

Da wir wissenschaftlich orientiert sind, müssen wir uns auf die Daten und Analysen verlassen können, die wir bereitstellen, und die Qualität ist wichtiger als die Geschwindigkeit. Um auf Kurs zu bleiben, wurde unser technisches Team um einen zusätzlichen Forscher erweitert, und wir stärken unsere Beziehungen zur Wissenschaft, um die Robustheit der von uns entwickelten Ansätze und Methoden zu gewährleisten.

"Damit Ursachenbekämpfung zum Mainstream wird, müssen wir die Industrie auffordern, mehr zu testen sowie Forschung zu finanzieren und sich daran zu beteiligen, wenn wir die Arbeit beschleunigen wollen." - Sophie Mather

Positive Beispiele aus der Industrie 

"Während des Entwicklungszyklus im Jahr 2022 hat Patagonia™ eng mit dem Hersteller Tessile Fiorentina™ zusammengearbeitet, um die Faserfragmentierung eines Fleece-Stoffes zu reduzieren, der aus 42 % recycelter Wolle, 52 % recyceltem Polyester, 3 % recyceltem Polyamid und 3 % anderen Fasern besteht. Ursprünglich lag die Mikrofaser-Emission über dem internen Grenzwert von Patagonia für Maschenware. Es wurden 13 Versuche durchgeführt, um die Fragmentierung zu reduzieren, wobei die Testmethode des Microfibre Consortium zur Quantifizierung der Mikrofaserabgabe verwendet wurde.

Fjällräven™ integriert Faserfragmentierungstests in die Produktentwicklung und wendet die Testmethode des Microfibre Consotrium auf alle neuen synthetischen Materialien an. Außerdem bewertet die Marke bestehende Materialien in ihrem Portfolio, um deren Qualität in Bezug auf Mikrofaser-Vermeidung sicherzustellen. Eine Art von Material, dem die Marke besondere Aufmerksamkeit schenkte, war ein Fleece, das in neuen Produkten wie dem Vardag Lite Fleece verwendet wird. Das Material besteht aus einer neuen Generation von recycelten Kunstfasern, die mit einem CO₂-Färbeverfahren gefärbt werden. Fjällräven wollte das beste Material auswählen, und zum ersten Mal wurde auch das Thema Mikrofasern als Auswahlkriterium herangezogen."

Microfibre Consortium: Jeder kann mitmachen

Für das "The Microfibre Consortium" gilt es, das Bewusstsein in der Branche zu schärfen, die Roadmap umzusetzen, das Netzwerk zu erweitern und so die Forschung weiter zu verbessern. Im Jahr 2024 wird das TMC die zweite Phase der Roadmap umsetzen. Die gesamte Branche ist eingeladen, sich am TMC zu beteiligen, indem sie sich der Initiative anschließt oder dem TMC als Unterzeichner Daten zur Verfügung stellt

Wenn du schnell gehen willst, geh allein, wenn du weit gehen willst, geh gemeinsam – so das Motto von TMC. Und die Outdoor-Industrie scheint bereit zu sein, weit zu gehen. Mit einem wissenschaftlich motivierten Ziel trägt TMC dazu bei, das Problem an der Wurzel zu packen.

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