Auf der einen Seite zeigen die Sportmärkte 2023 ein weltweites Wachstum von etwa 3 %. Das bedeutet für die 30 führenden Marken einen Marktwert von 121 Milliarden Dollar. Die größten Verbraucherländer in Europa sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien. [1]
Auf der anderen Seite, laut den Berichten von Textile Exchange™ 2024, stieg die Produktion von neuem, fossilem Polyester von 67 Millionen Tonnen im Jahr 2022 auf 75 Millionen Tonnen im Jahr 2023. [2] Polyester bleibt somit die am häufigsten produzierte Faser der Welt und macht 57 % der gesamten Faserproduktion aus, von denen 88 % aus fossilen Quellen stammen. Der Großteil der Materialien, die in der Sportindustrie verwendet werden, besteht aus Erdöl und trägt daher stark zur Umweltverschmutzung bei. Außerdem wird die siebte planetare Grenze, die Versauerung der Ozeane, überschritten.
Einige häufig verwendete Materialien wie Nylon, Polyester, Neopren oder Polytetrafluorethylen (PTFE) für wasserdichte Membranen stehen im Fokus, da sie nicht erneuerbar sind, bei ihrer Gewinnung viel CO2 ausstoßen und während ihres gesamten Lebenszyklus die Umwelt verschmutzen.
Das Thema Materialwahl spielt aber auch für Verbraucher*innen eine wichtige Rolle. Auch wenn nicht jede*r bereit ist, mehr für nachhaltigere Produkte zu zahlen oder sich intensiv mit den Etiketten auseinanderzusetzen, werden alle Verbraucher*innen gleichermaßen betroffen sein, sobald ein stark umweltschädliches Material verboten wird oder ein Skandal im Zusammenhang mit solchen Stoffen auftritt.
In ihrem Materialbericht 2024 [3] berichtet Textile Exchange, dass 2022 54% der globalen Faserproduktion aus Polyester bestand. Im Jahr 2023 waren nur 17% der weltweit recycelten Fasern synthetischen Ursprungs. Jüngste Studien zeigen, dass Polyester unter allen Fasern, ob synthetisch oder natürlich, für die größten Mengen an Treibhausgasemissionen (THG) verantwortlich ist. Laut Textile Exchange belaufen sich die Treibhausgasemissionen in den Sektoren Mode und Bekleidung, Heimtextilien und Schuhe auf 125 Millionen Tonnen. Das entspricht 3,8 % der Gesamtemissionen der Europäischen Union im Jahr 2021 oder etwa 30 % der jährlichen Gesamtemissionen Frankreichs im Jahr 2023. Ein T-Shirt, das zu 50% aus recyceltem Polyester mit GRS-Zertifizierung besteht, verursacht 47,7% weniger Treibhausgasemissionen als ein herkömmliches T-Shirt aus Poly-Baumwolle. "[4]
In Frankreich stellt sich die Frage nach einer zirkulären Mehrwertsteuer, die darin darin bestehen würde, die Mehrwertsteuersätze je nach den ökologischen und sozialen Auswirkungen der Produkte oder Dienstleistungen zu anzupassen: Ein niedrigerer Satz für ökologisch gestaltete, reparierbare, recycelte Produkte oder Produkte mit geringen Umweltauswirkungen, sowie ein höherer Satz für umweltschädliche oder Einwegprodukte. Einige Marken haben bereits in zirkuläre Innovationen investiert. Projekte wie The New Cotton Project™ oder Circ Earth™ haben bereits interessante Ansätze für zirkulären Baumwoll- und Viskoseeinsatz entwickelt. Das französische Unternehmen SAO™ entwickelt derzeit ein 100 % recyceltes Polyamidgarn, das thermomechanisch in Frankreich aus in der Region Occitanie gesammelten Fischernetzen hergestellt wird. Dieser Prozess ermöglicht ein vollständiges Recycling des Materials, ohne frische Rohstoffe oder chemische Verfahren hinzuzufügen – eine Premiere in Frankreich. Darüber hinaus haben Puma™, On™, Patagonia™, Salomon™ und PVH™ im Rahmen des Konsortiums "Fiber-to-Fiber" einen großen Schritt im Bereich des Textilrecyclings gemacht. In Zusammenarbeit mit dem französischen Unternehmen Carbios™ haben sie das erste Kleidungsstück weltweit vorgestellt, das aus enzymatisch recyceltem Polyester hergestellt wurde. Dieses weiße T-Shirt besteht zu 100 % aus Textilabfällen.
Was im Labor passiert, bleibt längst nicht mehr im Labor. Mit Bill Gates' Firma Savor™ haben wir gesehen, dass es möglich ist, Butter aus CO2 herzustellen. In der Outdoor-Branche liegen die größten Herausforderungen im Bereich der bio-basierten Alternativen zu synthetischen Materialien, Leder und traditionellem Kunststoff. Ein biobasiertes Textil ist ein Material, das ganz oder teilweise aus erneuerbarer Biomasse hergestellt wird. Diese Biomasse kann pflanzlichen, tierischen oder mikrobiellen Ursprungs sein. Diese Textilien umfassen natürliche Fasern (Flachs, Hanf, Bio-Baumwolle) oder künstliche Zellulosefasern und natürliche Polymere (Chitin, Keratin). Ihre Produktion erfordert eine Umwandlung im Labor, um das Endmaterial zu erhalten. Die Ergebnisse von Pionieren wie PIñatex™, Spinnova™ oder Amni Soul™ sind inzwischen industrialisiert.
Für das Reisegepäck oder den Sport sind die neuen Alternativen zahlreich. Geno™ und Lululemon™ haben gemeinsam ein innovatives biobasiertes Polyamid entwickelt. Nach Angaben der Marke hat dieses auf Pflanzenbasis hergestellte Alternativgarn zu Nylon™ eine gleichwertige Leistung wie herkömmliches Polyamid gezeigt.
Leinen, Baumwolle und Bio-Kapok gewinnen zunehmend an Bedeutung im Outdoor-Sportbereich. Beispiele dafür sind Notox™ oder der Flocus-Lieferant, der mit der deutschen Outdoor-Fahrradmarke Protective™ zusammengearbeitet hat. Wolle wurde lange unterschätzt, obwohl sie beeindruckende technologische Eigenschaften aufweist, wie die neuesten Beispiele von Arena™, Vilebrequin™, Mover™ oder Devold™ zeigen. Für die Protokolle des regenerativen Ansatzes ist Land to Market™ eine strenge Zertifizierung, die die Akteure der regenerativen Landwirtschaft Leder und Wolle in den Vordergrund stellt. Sie bietet einen systemischen Ansatz mit Untersuchung der Böden, der Biodiversität, der Wasserverschmutzung...
Die Woolmark company ™ setzt ihre weltweite Kampagne "Wear Wool, Not Waste" fort, um Wolle als umweltfreundliche Alternative zu synthetischen Fasern zu fördern. Diese Initiative soll das Bewusstsein für die zunehmende Dominanz synthetischer Fasern schärfen. Bis 2030 sollen diese 73% der weltweiten Faserproduktion ausmachen, während ihre Lebensdauer auf Mülldeponien bis zu zwei Jahrhunderte betragen kann. Artikel aus Wolle hingegen sind dreimal wahrscheinlicher, gespendet zu werden, als Produkte aus anderen Fasern. Obwohl Wolle nur 1% der weltweiten Versorgung mit neuen Fasern ausmacht, erreicht sie eine Spendenquote von 5%, was ihre wichtige Rolle in der Kreislaufwirtschaft unterstreicht. Diese Diskrepanz zwischen ihrem Marktanteil und der hohen Spendenrate verdeutlicht die Bedeutung von Wolle für eine nachhaltigere Mode. Darüber hinaus setzt Woolmark sein Engagement für Produzenten und Marken fort, mit Initiativen wie „Filter by Fabric“, die darauf abzielen, die Art und Weise zu verändern, wie die Textilindustrie ihre Produkte kommuniziert. Auch die kürzlich gestartete Woolmark+ Roadmap soll die Branche zu nachhaltigeren Praktiken führen. Woolmark Recycled™ ist eine neue Zertifizierung, die Produkte aus hochwertig recycelter Wolle fördert.
Algen sind eine noch weitgehend ungenutzte Lösung. Wenn sie richtig angebaut und geerntet werden und dabei den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft entsprechen, bieten sie zahlreiche Vorteile. Der Einsatz von biosynthetischen Verfahren ist weniger umweltschädlich als die Verarbeitung fossiler Ressourcen. Algen binden zudem Kohlendioxid und tragen so zur Reduzierung der Umweltbelastung bei. Unter bestimmten, bewiesenen Bedingungen können sie zudem natürlich abgebaut werden. Das Unternehmen Bysco™ bietet beispielsweise für die Gepäckbranche ein Vliesstoff aus Byssus, einer natürlichen Faser, die von Muscheln produziert wird. Im Bereich Verpackung ist die Marke Burton™ ein gutes Beispiel, die für ihre Snowboards einen Prototypen eines Verpackungsfilms auf Algenbasis entwickelt hat.
Seacell™, das in Mischungen verwendet wird, hat sich bereits im Outdoor-Sektor etabliert. Dennoch stößt die großflächige Einführung solcher Innovationen auf Herausforderungen. Die ersten Hürden sind oft technischer Natur, um den hohen Anforderungen der Marken hinsichtlich Robustheit, Glanz, Haltbarkeit und Recyclingfähigkeit gerecht zu werden. Das zeigt auch der Innovationspreis, den Keel Labs™ bei den Climate & Nature Impact Awards 2024 von Textile Exchange erhalten hat. Laut Tessa Callaghan, Mitbegründerin und CEO, ist die Verwendung von Algen ein Schritt, um unsere Abhängigkeit von den negativen Aspekten der landwirtschaftlichen Textilproduktion zu verringern – wie der Bodenerosion, der Nutzung von Süßwasser sowie dem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln. Ihre regenerativen Eigenschaften machen Algen einzigartig, da sie auf eine Weise gesammelt und geerntet werden können, die das ökologische Gleichgewicht ihres Umfelds fördert.
Die Alternativen zu synthetischen Materialien im Outdoor-Bereich sind auf dem Vormarsch. Es gibt jedoch noch viele Herausforderungen, um die Produktleistung und die Kultur, die mit traditionellen Materialien verbunden sind, zu verändern. Darüber hinaus werden die Erweiterung des Produktsortiments und die physische Haltbarkeit mit reparierbaren und recycelbaren Materialien und Designs für die Verringerung der Auswirkungen entscheidend sein. Schließlich stellt sich angesichts der Erwartungen an die Produktleistung die Frage, ob es technische Bekleidung mit geringeren Auswirkungen überhaupt gibt? Und wie kann man zwischen der Verwendung eines sehr spezifischen technischen Kleidungsstücks für eine*n Sportler*in und einem/einer Stadtbewohner*in unterscheiden, der/die es unter Bedingungen verwendet, die weniger Technologie erfordern?
Für Marken ist es entscheidend zu verstehen, dass bei der Auswahl von Materialien neben Forschung und Entwicklung auch andere Bereiche wie Finanzen, Einkauf und Daten eine zentrale Rolle spielen. Finanzen sind wichtig für die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben (CSRD) und die Messung der doppelten Materialität. Der Einkauf trägt zur Stärkung der Resilienz in den Lieferketten bei, während Daten unerlässlich sind, um Rückverfolgbarkeit und Transparenz zu gewährleisten. Forschung und Entwicklung sollten zudem in Kooperation stattfinden, um Fortschritte zu erzielen.
Die Verantwortung für die Auswirkungen muss dezentralisiert werden: Jeder Akteur – vom Lieferanten über die Marken bis hin zu den Abteilungen – muss seine eigenen Auswirkungen messen, um die doppelte Materialität zu verstehen. Dabei sollte jeder Fortschritt sichtbar gemacht und die Maßnahmen nach ihrem Einfluss priorisiert werden. Ein einheitliches System zur Bewertung von Auswirkungen und Ökodesign ist derzeit in Entwicklung. Diese Systeme fördern die Robustheit, Langlebigkeit und das Ende des Lebenszyklus von Produkten. Dennoch bleiben einige Membranen langlebige, aber schädliche Umweltverschmutzer. Auch wenn es keine sofortige Lösung für die Umweltkrise in der Modeindustrie gibt, bleibt die Weiterentwicklung von Beschaffungs-, Einkaufs- und Produktionsprozessen entscheidend für die Suche nach Lösungen.
Um also der fast vollständigen Abhängigkeit von fossilen Ressourcen zu entkommen, wäre es nicht an der Zeit, die Einstellung zur Leistung zu überdenken?
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